Die Geschichte der Pfarrkirche Graz-Mariahilf
Der vom Heiligen Franziskus von Assisi (1181/82–1226) ins Leben gerufene „Orden der minderen Brüder“ erfuhr rasch regen Zulauf und verbreitete sich schnell über ganz Europa. Seine Mitglieder lebten im Geist des Evangeliums in strenger Armut, Demut und Gehorsam. Sie suchten zunächst als Wanderprediger ihr Auskommen, ließen sich aber bald bevorzugt im Bereich städtischer Siedlungen nieder und engagierten sich auf sozialem Gebiet. Bereits im Jahre 1239 sind in einer Grazer Urkunde zwei Minoriten genannt. Schon 1241 ist von einer klösterlichen Gemeinschaft auszugehen, da sich die österreichischen Minderbrüder in Graz zu einem Ordenskapitel zusammenfanden. Unterschiedliche Interpretationen der franziskanischen Ideale führten im Laufe der Zeit zu einer Spaltung des Ordens. Die Konventualen (Minoriten) strebten eine großzügige Auslegung, die Observanten (Franziskaner) eine buchstäbliche Beachtung der ursprünglichen Regeln an. 1515 mussten die Minoriten das Grazer Kloster räumen und die Franziskaner zogen ein.
Erste "Unterkunft" 1609
Den nun heimatlosen Minoriten soll Seyfried von Eggenberg am rechten Murufer zunächst eine provisorische Unterkunft zur Verfügung gestellt haben. Ab 1607 entstand das heutige Minoritenkloster, zu dessen vornehmsten Gönnern Erzherzog Ferdinand III. (*1578; †1637), der spätere Kaiser Ferdinand II., und dessen Gemahlin Maria Anna von Bayern (*1574; †1616) sowie Fürst Hans Ulrich von Eggenberg (*1568; †1634) zählten. Die steirische Familie der Eggenberg hatte durch Handel, Münzpacht und Wechselgeschäfte ein großes Vermögen erworben und 1598 den Freiherrenstand erlangt. In Hans Ulrich von Eggenberg begegnet uns der bedeutendste Vertreter des Geschlechtes, dem in wenigen Jahrzehnten der Aufstieg zu einem der einflussreichsten Fürsten des Heiligen Römischen Reiches gelang. Geboren in Graz und dort protestantisch erzogen, genoss er seine weitere Ausbildung in Tübingen, einem Zentrum des deutschen Protestantismus. Nach ausgedehnten Reisen durch die Niederlande, Spanien und Italien kehrte er nach dem Tod seines Vaters 1594 nach Graz zurück und begann bald darauf seine Karriere am Hof Erzherzog Ferdinands III. Dazu war er zum katholischen Glauben übergetreten und trug die strikte gegenreformatorische Politik seines Herrn mit, der Innerösterreich (Steiermark, Kärnten und Krain) mit allem Nachdruck zum alten Glauben zurückführte. Die Ausweisung von Protestanten, der unter seinem Vater Erzherzog Karl II. u. a. der Astronom Johannes Kepler zum Opfer gefallen war, sowie die Ansiedlung zahlreicher Ordensgemeinschaften waren Maßnahmen auf dem Weg dorthin.
Prunkvolles Barockschloss Eggenberg
Hans Ulrich von Eggenberg stieg zum Obersthofmeister und Präsidenten des Geheimen Rates auf und wurde Ferdinands engster Berater. Dieser belohnte ihn mit zahlreichen Würden, u. a. mit der Erhebung in den Reichsfürstenstand 1623. Nach der Wahl Ferdinands zum Kaiser im Jahr 1619 wurde Hans Ulrich 1625 Statthalter des Kaisers in Innerösterreich. Als einer der reichsten Männer seiner Zeit ließ er Schloss Eggenberg in Graz ab 1625 zu einem prunkvollen Barockschloss im Geiste des spanischen Escorial ausbauen. Als Baumeister fungierte der Italiener Giovanni Pietro de Pomis, der 1607 auch die Pläne für die Mariahilfkirche geliefert hatte.
Zunahme des Pilgerstromes Ende des 17. Jahrhunderts
Das dortige Gnadenbild erfreute sich bereits Ende des 17. Jahrhunderts immer größerer Beliebtheit, und die Minoriten übernahmen die seelsorgliche Betreuung der wachsenden Pilgerschar. Im Pestjahr 1680 zog eine Prozession, an der über 19.000 Wallfahrer teilnahmen, zur Mariahilfkirche, um Maria für die gewährte Hilfe in dieser schweren Notzeit zu danken. Im Jahre 1697 sollen über 20.000 Gläubige zum Gnadenbild gepilgert sein. Kurz zuvor waren die Menschen von der seit dem 15. Jahrhundert andauernden Bedrohung durch die Türken befreit worden, die 1683 vor Wien vernichtend geschlagen worden waren. Die neu gewonnene Lebensfreude schlug sich in barocken Festlichkeiten, aber auch in einer Blüte des Wallfahrtswesens nieder. In dieser Zeit fand die Mariahilfer Wallfahrt zu ihrem Höhepunkt. Die Errichtung der heutigen Doppelturmfassade 1742–44, die Umgestaltung der Kirche 1769 und daran anschließend die Einrichtung der Schatzkammerkapelle 1769–71 sind eindrucksvolle Zeugnisse dieser blühenden Mariengnadenstätte.
Im Jahre 1782 besuchte schließlich Papst Pius VI. auf seiner Reise zu Kaiser Joseph II. nach Wien die Mariahilfkirche. Dieser glanzvolle Besuch stand aber gewissermaßen schon am Ende der Barockzeit, die von der Epoche der Aufklärung abgelöst werden sollte. Kaiser Joseph II. beabsichtigte im Zuge seiner Reformpolitik ein Verbot des Wallfahrtswesens und die Aufhebung zahlreicher Klöster. Der Auflösung ihrer Gemeinschaft konnten die Minoriten entgehen, da die Mariahilfkirche 1783 zur Pfarrkirche umgewidmet wurde. Bis heute werden Pfarre und Kloster Mariahilf von Minoriten betreut. Das Wallfahrtswesen allerdings erfuhr einen schmerzlichen Einbruch und sollte nie mehr an die Blüte des 17./18. Jahrhunderts anknüpfen können. Aufgrund dieser Zäsur ging auch die Anzahl der Konventmitglieder im 19. Jahrhundert zurück, von 34 im Jahre 1783 auf vier im Jahre 1824. Gegen Ende dieses Jahrhunderts allerdings erforderten die seelsorglichen Belange wieder mehr Brüder, zumal sich die Vorstadtpfarre Mariahilf mit den sozialen Folgen der Industrialisierung und deren drängenden Problemen konfrontiert sah.
Gründung des Kulturzentrums 1975
Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts übernahm die Diözese Graz-Seckau einen Teil der Klostergebäude, installierte nach erforderlichen Renovierungsarbeiten 1975 das Kulturzentrum bei den Minoriten. Der Seelsorger und Künstler Josef Fink (*1941; †1999) erschuf dabei ein kulturelles Zentrum für zeitgenössische Kunst, Gegenwartskultur und Religion. Das Diözesanmuseum war ab Mitte der 70er Jahre bis 2009 ebenso im Hause für die ganze Diözese mit zahlreichen Ausstellungen und Aktivitäten sehr erfolgreich tätig.
Die Einbindung der Murvorstadt in das rege Kulturleben der Stadt Graz wurde durch die Errichtung des Mursteges im Jahre 1992 erleichtert. Er verbindet auch die beidseitig der Mur gelegenen Teile des sog. Kulturwegs, der beim Minoritenkloster beginnt und über das Stadtmuseum durch den Schlossbergstollen zum Forum Stadtpark führt.